Minimalismus: Das große Loslassen (aber wohin mit dem ganzen Zeug?)

Minimalismus liegt im Trend. Alles, was überflüssig ist, muss weg! „Weniger ist mehr“ lautet das Mantra, und wer sich eine Netflix-Doku über aufgeräumte Wohnzimmer ansieht, spürt förmlich, wie die eigene Unordnung im Hintergrund anfängt zu schwitzen. Aber mal ehrlich: Wie leicht ist es wirklich, sich von allem zu trennen?

Phase 1: Die romantische Idee des Minimalismus

Es fängt harmlos an. Du liest irgendwo: „Minimalismus macht frei!“ und denkst: „Das will ich auch!“ Schließlich träumt jeder von einem Instagram-tauglichen Leben, in dem die einzige Deko eine Topfpflanze und ein Buch ist – natürlich eines, das man tatsächlich liest und nicht nur zur Zierde gekauft hat.

Doch während du dir ein luftiges, leeres Wohnzimmer vorstellst, bemerkst du die Realität: dein vollgestopftes Regal, die alten DVD-Boxen von Friends (obwohl du seit Jahren streamst) und die mysteriöse Schublade voller Kabel, deren Funktion niemand kennt.

Phase 2: Das emotionale Dilemma

Minimalismus klingt so einfach: „Behalte nur, was dir Freude bereitet!“ Das Problem ist, dass alles irgendwie Freude bereitet – oder Schuldgefühle. Die hässliche Vase von Tante Gerda? Kann nicht weg, sie hat sie doch „extra für dich“ gekauft. Der Pulli, den du seit 2013 nicht getragen hast? Den wirst du bestimmt wieder lieben, sobald du zehn Kilo abgenommen hast!

Dann kommt der Klassiker: der sentimentale Krempel. Du findest eine vergilbte Geburtstagskarte von 2008, die eigentlich nur „Alles Gute!“ sagt – aber sie ist von Oma! Und die Plüschtier-Sammlung aus deiner Kindheit? Wie sollst du den Eisbären entsorgen, der dir damals in der Grundschule „Glück“ gebracht hat? Minimalismus kann ganz schön herzzerreißend sein.

Phase 3: Die radikale Ausmist-Aktion

Nachdem du dich durch Dutzende YouTube-Tutorials über „decluttering“ (ja, das ist jetzt ein eigenes Genre!) geklickt hast, packt dich der Rausch. Du stehst mitten in der Wohnung und wirfst Sachen in Kisten. Schuhe, Bücher, Küchenutensilien – alles muss raus! Der Toaster? Braucht kein Mensch, der Ofen kann das doch auch. Zwei Wochen später vermisst du den Toaster, weil dir der Ofen jedes Mal das Brot verkohlt.

Das Tückische am Minimalismus ist, dass er sich erst nach dem Entrümpeln wie eine gute Idee anfühlt. Währenddessen schwitzt du, fluchst und zweifelst an deinem Lebensstil. Und der Berg an Sachen, der jetzt weg soll, türmt sich wie ein Mahnmal in der Wohnung.

Phase 4: Wohin mit dem ganzen Zeug?

Die Theorie des Minimalismus lautet: „Spende es, verkaufe es, verschenke es!“ Klingt toll – bis du merkst, dass niemand deinen abgerockten Ikea-Kleiderschrank will. Auf eBay Kleinanzeigen wirst du das Ding für „zu verschenken“ inserieren, und trotzdem fragt jemand: „Kannst du’s vorbeibringen? Aber erst nach 22 Uhr, ich hab Termine.“

Am Ende schleppst du die Hälfte zum Recyclinghof, nur um festzustellen, dass du dich dort in eine Schlange von Leuten einreihst, die offensichtlich alle gerade auch Minimalisten geworden sind.

Phase 5: Der große Moment der Freiheit

Nach Wochen des Entrümpelns sitzt du endlich in deinem reduzierten, minimalistischen Wohnzimmer. Kein unnötiger Krempel, keine überladenen Regale – nur du, ein Stuhl und diese eine einsame Pflanze. Du fühlst dich leicht und frei … für genau fünf Minuten. Dann fällt dir auf, dass Minimalismus auch langweilig sein kann.

Wo ist die Kuscheldecke? Und warum steht da kein Kerzenständer? Vielleicht war die alte Lampe doch besser als das nackte Deckenlicht. Schon schleicht sich ein leises Verlangen ein, wieder ein bisschen Deko zu kaufen – nur ein paar kleine Sachen, nichts Übertriebenes.

Fazit: Minimalismus ist komplizierter, als es aussieht

Minimalismus klingt nach einem entspannten Lifestyle, aber die Umsetzung ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Manchmal fühlst du dich wie ein Zen-Meister, der über den Dingen steht, und manchmal wie ein Irrer, der versucht, die Existenz von fünfzig Tupperdosen zu rechtfertigen.

Am Ende bleibt vielleicht eine Erkenntnis: Minimalismus ist kein Zustand, sondern ein ständiger Balanceakt. Und wenn das Leben zu leer wird, ist es doch okay, wieder ein bisschen Chaos reinzulassen – schließlich sind wir keine Möbelausstellungen, sondern Menschen. Mit Kabelschubladen. Und Erinnerungen. Und (zu vielen) Kuscheldecken.

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