„Minimalismus – Ich habe Platz, wer hat Zeit?“

Minimalismus ist das neue Schwarz. Alles soll weniger werden: weniger Zeug, weniger Stress, weniger Chaos. Klingt verlockend, oder? Also habe ich beschlossen, minimalistischer zu leben. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich mich dabei plötzlich wie ein Schauspieler in einem schlecht organisierten Improvisationstheater fühlen würde.

Phase 1: Der Große Ausmist-Wahn

„Weg damit!“ war mein Mantra, als ich mich in die Schlacht gegen meinen Kram stürzte. Schublade für Schublade, Schrank für Schrank. Wer braucht schon 17 Kaffeetassen, wenn ich nur einen Mund habe? Bücher, die ich nie lesen werde, wurden in Kisten verbannt. Kleidung, die „vielleicht irgendwann wieder passt“, landete im Spendencontainer.

Am Ende saß ich auf dem Boden, umgeben von vier Möbelstücken, drei Deko-Objekten und einer halbleeren Packung Kekse. „Das ist Freiheit“, dachte ich. Doch dann fiel mir auf, dass ich gar keinen Tisch mehr hatte, auf dem ich die Kekse essen konnte. Ups.

Phase 2: Die digitale Apokalypse

Minimalismus endet ja nicht bei Gegenständen. Nein, auch mein digitaler Raum musste aufgeräumt werden. Also habe ich 5.000 E-Mails gelöscht, von denen 4.999 sowieso nur aus Newslettern bestanden, die ich nie geöffnet hatte.

Ich habe Apps gelöscht, die ich seit Monaten nicht benutzt hatte. Das Ergebnis? Ich habe Instagram zweimal entfernt und dreimal neu installiert, weil ich dachte: „Vielleicht brauche ich das ja doch… irgendwann… für irgendwas?“ Spoiler: Nein, brauche ich nicht.

Phase 3: Die sozialen Herausforderungen

Minimalismus bringt auch soziale Stolpersteine mit sich. Zum Beispiel, wenn Freunde mit einem Geschenk vor der Tür stehen und du erklären musst, warum du „eigentlich keine neuen Sachen mehr“ willst.

„Aber das ist doch ein handgeschnitztes Deko-Holz-Alpaka aus Peru!“ – „Wunderschön, aber ich habe gerade mein letztes Regal wegrationalisiert.“

Das Gespräch endete damit, dass ich das Alpaka trotzdem behielt und es jetzt liebevoll „Horst“ nenne. Minimalismus hin oder her, Horst bleibt.

Phase 4: Das Paradoxon des Minimalismus

Hier kommt der Knaller: Minimalismus soll ja angeblich Zeit und Energie freisetzen. Aber warum verbringe ich plötzlich Stunden damit, mir YouTube-Videos anzusehen, wie andere Leute minimalistisch leben? Oder stundenlang zu überlegen, ob ich wirklich drei Paar Schuhe brauche?

Ich habe jetzt weniger Dinge, aber die Entscheidungen sind komplizierter geworden. Welches Shampoo? Das einfache, nachhaltige? Oder das teurere, weil es hübscher aussieht (aber Minimalismus, hallo)? Am Ende stehe ich 15 Minuten lang in der Drogerie und nehme doch das, was ich immer nehme.

Fazit: Minimalismus ist anstrengend, aber irgendwie witzig

Minimalismus ist wie eine Diät. Es fängt voller Elan an, aber irgendwann merkst du, dass du schon wieder in die alte Chipstüte greifst – nur diesmal metaphorisch.

Trotz allem habe ich eines gelernt: Minimalismus ist nicht die Abwesenheit von Dingen, sondern die Kunst, mit weniger zu leben, ohne ständig darüber nachzudenken. Und wenn ich doch mal scheitere, habe ich immer noch Horst, das Deko-Alpaka.

Vielleicht ist das ja der wahre Kern des Minimalismus: Platz für das, was dir wirklich wichtig ist – auch wenn es manchmal ein wenig mehr oder überraschend kitschig ist.

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