Was ist Gesundheit? 6 Tipps von berühmten Denkern

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6 Gesundheitstipps von Denkern

Eine Philosophie der Gesundheit?

Stellen wir uns vor: Gesundheit ist ein Spiel, dessen Regeln niemand kennt, das aber alle spielen müssen. Mal gewinnt der Körper, mal der Geist. Wer die Philosophie der Gesundheit sucht, muss also mitten im Spiel stehen bleiben und fragen: Geht es darum, die richtigen Regeln zu entdecken– oder darum, Regeln für die Gesundheit zu erstellen?

Philosophisch betrachtet ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Sie hat vielmehr mit unserer Fähigkeit zu tun, mit der empfundenen Unvollkommenheit, oder besser gesagt mit der Widersprüchlichkeit des Lebens, in Einklang zu stehen. Friedrich Nietzsche schrieb: „Man muss Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ In diesem Sinne könnte Gesundheit als ein kniffliger Lebensakt gesehen werden, dieses Chaos in unserem Leben fruchtbar zu gestalten, anstatt daran zu zerbrechen. Sie ist die Fähigkeit, nicht nur zu überleben, sondern das Leben aktiv zu gestalten, auch angesichts von Schmerz, Verfall und Vergänglichkeit. Das ist das Spielfeld der Gesundheit, auf dem wir uns bewegen müssen.

Gesundheit ist nicht alles

Schopenhauer brachte es prägnant auf den Punkt: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Treffender lässt sich das Fundament unseres Daseins kaum umreißen. Gesundheit ist das paradoxe Prinzip unseres Lebensvermögens – unsichtbar, weil sie erst die Voraussetzung für unser Erleben schafft. Solange sie uns still trägt, erscheint sie selbstverständlich. Doch wenn sie schwindet, enthüllt sie nicht nur ihre zentrale Bedeutung, sondern auch die unübersehbare Endlichkeit unserer irdischen Existenz.

Darum ist die Frage nach Gesundheit für mich letztlich auch die Frage nach der richtigen Balance zwischen der Freiheit des Geistes und den Begrenzungen des Körpers.

Wie vieles im Leben bleibt auch die Gesundheit ein philosophisches Rätsel: Sie ist weder nur ein Zustand, noch lediglich ein Mittel zum Zweck. 

Die Gesundheit ist aber das Fundament unserer Existenz – und ein geistiger Spiegel unserer Fähigkeit, mit den Widersprüchen des Lebens umzugehen.

Besonders interessant wäre es zu fragen, wie die großen Denker und Philosophen die Gesundheitsfrage geklärt hätten. Hier habe ich für euch einige Eckpunkte philosophischer Grundgedanken von bekannten Denkern im Zusammenhang mit der Gesundheit betrachtet.

Platon: Gesundheit als Streben nach Erkenntnis

Platon, der Schüler von Sokrates, hatte ein umfassenderes philosophisches System, das auch Gedanken zur Harmonie von Körper und Seele enthielt. Seine Ideen zur Gesundheit würden sich wahrscheinlich auf seine Vorstellung von Balance und Idealzuständen stützen.

Platon glaubte, dass ein Leben, das sich auf das Höchste Gute (agathon) ausrichtet, auch das persönliche Wohlbefinden steigert. Die Suche nach Tugend, Weisheit und Gerechtigkeit trägt zu einer tiefen Zufriedenheit bei, die Stress und innere Zerrissenheit reduziert.

Auch sah er das Streben nach Erkenntnis als eine Art „geistige Heilung“. Er glaubte, dass ein ungeprüftes Leben (ähnlich wie Sokrates) unvollständig und unbefriedigend ist. Geistige Klarheit kann dabei helfen, auch körperliche Beschwerden zu mindern.

Gesundheitstipp von Platon

Suche die Erkenntnis des Guten und Wahren und nimm dir regelmäßig Zeit für Selbstreflexion, Kontemplation oder philosophisches Nachdenken. Dies soll dir dabei helfen, immer mehr Klarheit im Geist zu gewinnen, was gleichbedeutend mit Heilung ist.

Kant: Gesundheit und die Vernunft

Im Rahmen der Aufklärung war Immanuel Kant einer der ersten Philosophen, der die Idee der Vernunft mit der Autonomie des Subjekts verband. In Kants Moralphilosophie steht die Autonomie — das selbstbestimmte Handeln nach moralischen Prinzipien — im Mittelpunkt. Gesundheit kann in diesem Kontext als eine Bedingung gesehen werden, die es dem Menschen erlaubt, vernünftig zu handeln und seine moralische Verantwortung wahrzunehmen.

Die Pflege der Gesundheit könnte für Kant also nicht nur eine physische, sondern auch eine moralische Aufgabe sein. Ein gesunder Körper ist notwendig, um die Fähigkeiten des Geistes voll zu entfalten. Doch Kant hätte auch vor einem exzessiven Fokus auf die Gesundheit gewarnt, der zur Selbstsucht und Vernachlässigung moralischer Pflichten führen könnte. Somit balanciert er zwischen der Bedeutung der Gesundheit als Voraussetzung für moralisches Handeln und der Gefahr, sie zu überbewerten.

Interessant zu wissen: Kant litt sein Leben lang unter gesundheitlichen Beschwerden. Doch er war der Pharmazie gegenüber sehr kritisch. Einst schrieb er: »Alles was in der Apotheke verkauft, gekauft und gegeben wird, Pharmacon, Venenum, und Gift, sind Synonyma«. Das ist von ihm sehr abwertend gemeint.

Kant glaubte, dass jeder sein eigener Arzt sein solle. 

Gesundheitstipp von Kant

Eindeutig war Kant der Meinung: »[W]er seine Gesundheit liebt, der fliehe die Medicos und Arztneyen«. Kant rief generell zu mehr Selbstverantwortung und moralischem Handeln auf. 

Doch einfach gesagt, würde Kant raten: Pflege deinen Körper, aber verliere dich nicht in Oberflächlichkeit. Halte deinen Geist wach, indem du nach moralischen Prinzipien handelst, und erkenne, dass Gesundheit kein Mittel zum Zweck ist, sondern ein Selbstzweck. 

Für Kant bedeutet Selbstzweck, dass man andere in seinen Handlungen nicht als Mittel zum Zweck verwenden soll – so auch nicht die eigene Gesundheit als Mittel zum Zweck – z. B. um sich selbst besser darzustellen, um damit einen Vorteil zu erreichen oder etwas Profitables damit zu verfolgen. Im Selbstzweck zu handeln bedeutet, keinen Unterschied zwischen sich selbst und den anderen zu machen, sondern so zu handeln, weil es allgemein für alle richtig ist. In anderen Worten: Versuche gesund zu bleiben, weil es richtig für alle Menschen ist, Gesundheit zu bewahren, nicht um dir damit einen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen.

Hegel: Gesundheit im Kontext des Geistes

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel könnte Gesundheit ein dialektischer Zustand sein, der zwischen den Polen von Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Eingebundenheit vermittelt. In seiner “Phänomenologie des Geistes” beschreibt Hegel das Leben als ein Streben nach Einheit und Harmonie zwischen Individuum und Gemeinschaft. Krankheit, sowohl physisch als auch psychisch, könnte daher als Ausdruck einer Dysbalance gesehen werden, sei es auf individueller oder sozialer Ebene.

Hegel würde die Gesundheit nicht nur als individuellen Zustand bewerten, sondern auch als sozialen Prozess. Die Gesundheit des Einzelnen hängt von seiner Eingebundenheit in soziale Strukturen ab, die ihm Anerkennung und Identität verleihen. Diese Perspektive weist auf die gesellschaftlichen Faktoren von Gesundheit hin, ein Thema, das besonders heute nach den pandemischen Umwälzungen des Gesundheitssystems an Relevanz gewinnt. 

Doch: Hegel hatte ein holistisch geprägtes Denken und war davon überzeugt, dass die Freiheit und Autonomie des Geistes die Macht hat, Einfluss auf das Materielle, also somit auch auf den Körper, zu nehmen.

Hegel wäre heute ein holistischer Gesundheitsberater – mit Sicherheit!

Gesundheitstipp von Hegel

Suche Balance in deinem Leben. Pflege Beziehungen und sei Teil einer Gemeinschaft, aber vergesse nicht, deinen eigenen Geist und deine Freiheit zu entfalten. Gesundheit entsteht im Einklang von Selbst und Gemeinschaft. Werde dir deines Geistes bewusst und erkenne, dass du die Macht hast, über geistige Prozesse deinen Körper mitzuregulieren.

Nietzsche: Krankheit als Selbstüberwindung

Friedrich Nietzsche litt große Teile seines Lebens unter schwerer Krankheit, darunter starker Migräne, Augenleiden und Magen-Darm-Beschwerden. Doch anstatt seine Krankheit als reine Einschränkung zu betrachten, interpretierte Nietzsche sie als Teil seiner intellektuellen und spirituellen Entwicklung. 

Er schrieb einiges zu seinem eigenen Krankheitszustand, unter anderem: „Ich bin nun einmal nicht Geist und nicht Körper, sondern etwas drittes. Ich leide immer am Ganzen und im Ganzen. [∙∙∙] Meine Selbst-Überwindung ist im Grunde meine stärkste Kraft.“

Für Nietzsche gestaltete sich Krankheit als ein Mittel der totalen Selbstüberwindung und des Wachstums. 

Nietzsche glaubte, dass die Auseinandersetzung mit Schmerz und Leiden ihn zur Schärfung seines Denkens und zur Stärkung seiner Persönlichkeit führte. Krankheit ist bei Nietzsche also so etwas wie eine Voraussetzung für Erkenntnis: Wer Schmerz überwindet, gelangt zu einer tieferen Einsicht in das Leben und zu einer größeren inneren Kraft.

Gesundheitstipps von Nietzsche

Umfasse das Leben mit all seinen Herausforderungen. Die Krankheit ist die Chance zur Veränderung, Stärkung und Selbstüberwindung. Wenn dir Schmerz als Teil deines Weges begegnet, verstehe, dass es für dich ein Zeichen zum Wachsen ist. Denn du bist dafür da, dein volles Potential zu schöpfen und an deine wahren Größe heranzureifen. 

Adorno: Gesundheit und Gesellschaftskritik

Theodor W. Adorno, ein zentraler Denker der Kritischen Theorie, könnte in seine Betrachtung von Gesundheit eine tiefgehende Gesellschaftskritik einbringen. Für Adorno ist die Gefahr groß, dass gerade die „Gesundheit“ missbräuchlich für eigene, wirtschaftliche Interessen und die Bildung von neuen Ideologien genutzt werden könnte.

Als Beispiel würde er die Ideologien der Fitnessindustrie und die damit verknüpfte Erwartungshaltung scharf kritisieren. Diese vermitteln dem heutigen Menschen einerseits, die Steigerung der eigenen Fitness als moralische Pflicht zu betrachten, und reduzieren ihn andererseits auf seine Nützlichkeit und Funktionalität. In diesem unausgesprochenen Appell der „Fitness-Botschaft“ bemisst sich der Wert des Individuums vor allem an seiner „sportlichen Produktivität“. Diese ist jedoch nicht selbstlos, sondern dient der Aufrechterhaltung einer wirtschaftlich funktionsfähigen Gesellschaft, in der Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit bewertet werden. Nach Adorno führt dies zur Entfremdung, da Menschen ihre wahre Individualität und ihre Bedürfnisse zugunsten der Anpassung an ideologisch geprägte gesellschaftliche Normen verlieren.

Im Sinne Adornos handelt es sich hier um ein Beispiel für die Durchdringung des Alltagslebens durch instrumentelle Vernunft: Der Körper wird nicht mehr als Träger individueller Erfahrung, sondern als Ressource betrachtet, die es zu optimieren gilt. Die Fitnessindustrie verschmilzt in diesem Prozess mit den Mechanismen der Kulturindustrie, indem sie standardisierte Leitbilder körperlicher Perfektion erzeugt und massenmedial verbreitet. Die so entstehende Norm wirkt als unsichtbarer Zwang, dem sich das Individuum anpasst, oft unter dem Deckmantel „freier Entscheidung“.

Diese scheinbare Autonomie ist jedoch, nach Adorno, eine Form von heteronomer Selbstverpflichtung: Die Menschen verinnerlichen die gesellschaftlichen Leistungsanforderungen, als wären es ihre eigenen Wünsche, und reproduzieren damit vermeintlich freiwillig die Strukturen, die sie beherrschen. Die Entfremdung liegt nicht nur darin, dass sie ihre wahren Bedürfnisse und Individualität zugunsten ideologisch gesetzter Normen opfern, sondern auch darin, dass selbst das Streben nach „Selbstverwirklichung“ bereits in ökonomisch verwertbare Formen kanalisiert ist. Die Sorge um den Körper wird so zum Mittel der Selbstausbeutung, getarnt als Gesundheitspflege.

Einfach gesagt: Nach Adorno darf der Mensch nicht über seine ökonomische Produktivität oder Leistungsfähigkeit definiert werden. Menschen sind nicht zu messen wie Gegenstände oder Geld. Ihr Wert liegt jenseits jeder quantitativen Berechnung oder Verwertbarkeit.

Gesundheitstipp von Adorno 

Hinterfrage die Erwartungen, die die Gesellschaft an dich stellt. Lass dich nicht von der Ideologie permanenter Selbstoptimierung vereinnahmen. Wahre Gesundheit kann auch bedeuten, sich den Zwängen der Leistungsgesellschaft zu entziehen. Vor allem aber: Erkenne, dass dein eigenes Handeln diesen Zwang und das ökonomische Selbstbild mit hervorbringt – und dass du Teil des Mechanismus bist, solange du ihn mitträgst.

Michel Foucault und Gesundheit als Machtinstrument

Die moderne Medizin wird von Michel Foucault als eine Form von Macht verstanden, die den menschlichen Körper und sein Verhalten kontrolliert. Diese Macht ist subtil, aber allgegenwärtig: Die klinische Pathologisierung von Menschen dient seines Erachtens nicht der Heilung, sondern der Unterwerfung des Individuums und der Kontrolle. 

Besonders entscheidend ist der Begriff „Biopolitik“ – Unter Biopolitik versteht Foucault die Gesundheit als politisches Machtinstrument, worüber Disziplinarverfahren über die Köpfe der Individuen hinweg legitimiert werden können. 

Für Foucault ist Gesundheit also nicht nur ein biologischer Zustand, sondern auch ein Produkt von Machtverhältnissen. Gleichzeitig sieht Foucault in der Erkenntnis dieser Machtstrukturen eine Chance zur Selbstbefreiung.

Gesundheit kann so als ein Akt des Widerstands verstanden werden, bei dem der Einzelne versucht, sich den gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen und ein authentisches Leben zu führen. Findest du auch, dass Foucaults Gedanken mit unserer Zeit resonieren?

Gesundheitstipp von Foucault

Sei dir bewusst, dass Gesundheit auch von gesellschaftlichen Normen und Machtstrukturen geprägt wird. Schaffe dir Freiräume, um dein Leben selbstbestimmter zu gestalten. Nicht die Anpassung an enge gesellschaftliche Standards, sondern die Emanzipation und die Gründung eines wahren Selbstbewusstseins kann wahre Gesundheit bedeuten. 

Zum Schluss

Viele Philosophen und Denker litten selbst unter erheblichen gesundheitlichen Problemen. Kant war von schwacher Konstitution und führte deshalb ein streng geregeltes, diszipliniertes Leben. Hegel kämpfte mit Magenbeschwerden, Adorno mit Herzproblemen und depressiven Verstimmungen. Foucault erkrankte an Aids und starb daran. Nietzsche wiederum war von einer Vielzahl an Leiden geplagt und erlag schließlich einer „mysteriösen“ Erkrankung, die zu seinen Lebzeiten nie eindeutig diagnostiziert wurde.

Gerade diese biografischen Erfahrungen verleihen ihren philosophischen Überlegungen zur Gesundheit eine besondere Tiefe. Sie machen deutlich, dass Gesundheit und Krankheit weit mehr sind als bloße biologische Zustände – sie berühren unser Selbstverständnis, unsere Lebensführung und unser Verhältnis zur Welt.

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